Projektionen kennen wir alle aus dem Kino. Ein kleines Bild wird durch eine Linse geschickt, auf eine Fläche geworfen und wir sehen sie riesengroß vor uns.
Wenn einer aufsteht, dann trägt er das Bild auf sich.
Genauso ist es mit unseren eigenen Projektionen.
Sie kommen aus unserem Inneren, es sind unsere Bilder, unsere Erwartungshaltungen, unsere Empfindungen über uns selbst, die wir aus uns heraus (wie der Projektor) auf unser Gegenüber werfen.
Anders als im Kino können wir das Projizierte im Gegenüber ganz klar erkennen. Leider erkennen wir zwar den Inhalt, aber nicht die Tatsache, dass es sich dabei um eine eigene Projektion handelt.
Das Wunderbare an Projektionen ist: wir sind sie erst mal los, für den Moment. Und wir können damit agieren. In der Regel bedeutet das, wir greifen sie an.
Meist sind es unangenehme Gefühle und Erfahrungen, die wir auf die anderen projizieren. Schließlich sind das ja auch die Dinge, die sich nicht gut anfühlen und die wir gerne loswerden.
So wird dann das Gegenüber zu einem Objekt, dass man angreifen und verurteilen kann. (der Moralist in uns sagt auch: und sollte).
Gerne wird das eigene Schuldgefühl auf andere übertragen. Die Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen, ist oft eine schwierige Übung.
Einen Schuldigen zu finden fühlt sich zumindest leichter an.
Der Arzt hat mich nicht richtig aufgeklärt, mir die falschen Medikamente verschrieben, hat einen Behandlungsfehler gemacht. Die Eltern…, der Partner.., die Kinder…, die Schule…., der Bauunternehmer…, der Berater….,der Nachbar.., sie alle sind schuld, an so vielen Dingen.
Wir machen uns das Leben oft schwer durch Projektionen.
Wenn wir in unserem Leben mit einem bestimmten Typ Mensch schlechte Erfahrungen gemacht haben, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass wir bei dem nächsten Menschen, der uns an diese Erfahrungen erinnert, von vorne herein sehr vorsichtig sind.
Damit geben wir diesem neuen Kontakt in unserem Leben möglicherweise keine Chance. Und wir verpassen vielleicht eine wunderbare Gelegenheit zum Wachstum.
Der Gerechtigkeit halber will ich auch erwähnen, dass es durchaus auch „positive“ Projektionen gibt. Ein Mensch der uns in positiver Weise an einen anderen erinnert, wird mehr Chancen von uns bekommen. Oder wir holen uns von diesem Anderen das, was wir früher nicht bekommen haben.
Dabei übersehen wir dann schon mal das wahre Wesen unseres Gegenübers. Das ist auch nicht so gut zu erkennen unter den ganzen Überblendungen.
Die Rücknahme der Projektionen
Zum Hineinwachsen in die eigene Verantwortlichkeit gehört auf jeden Fall das Erkennen und Zurücknehmen der eigenen Projektionen. Dazu muss ich erkennen, dass alles, was mir meine Umwelt zeigt, ein Spiegel meines Denkens ist. Und daraus kann ich den Schluss ziehen, welche Muster und Projektionen ich nicht mehr haben will.
Dann übernehme ich die Verantwortung für das, was mir begegnet und geschieht. Damit nehme ich die Projektion zurück, kann sie dann in mir selbst verändern oder auflösen.
Aus eigener Erfahrung kann ich behaupten: es befreit.
Nicht mehr ständig Urteile über andere und über mich im Kopf (und vor Augen) zu haben, macht den Umgang mit der Welt wirklicher und einfacher.
Ellis
Juni 13, 2017 — 10:55 am
In einer Begegnungssituation:
Wie unterscheidest Du Deine Projektionen von den echten und authentischen Aussendungen Deines Gegenübers?
anneruth
Juni 13, 2017 — 11:16 am
Liebe(r) Ellis
spüre hin. Wenn es nur das Aussenden deines Gegenübers ist, macht es nicht viel mit dir. Du kannst das dann “beobachten”. Sobald es in dir Abwehrreaktionen oder andere deutliche Emotionen gibt, hat es immer auch mit dir zu tun. Wenn es keine Projektion deiner Selbst ist, kannst du relativ unberührt die Dinge sehen und auch sein lassen. (ich rede jetzt nicht von einer “künstlichen” Blockade, mit der wir uns auch manchmal abschotten, um nicht so viel spüren zu müssen). Das eigene Herz sagt dir schon, was Sache ist.
Ich geb mal ein Beispiel: vor vielen Jahren ist mir in einer Fußgängerzone jemand begegnet, den ich beim Vorbeigehen irgendwie gestreift habe – unabsichtlich. Und er drehte sich um und fing an, so heftig aggresiv und unflätig auf mich einzubrüllen, dass ich innerlich wie erstarrt war. Ich wusste damit gar nicht umzugehen und es hat mich lange danach noch körperlich und seelisch aufgewühlt.
Ich selbst habe mich überhaupt nicht als aggressiv empfunden und es war zu dem Zeitpunkt recht schwierig, mich wütend zu machen.
Heute weiß ich, dass ich ein Riesenproblem mit Aggressionen hatte, vor allem mit meinen eigenen, die ich sorgsam vor mir verborgen hatte. So sorgsam, dass ich oft gar nicht wahrnahm, wenn mich etwas wütend machte. Alle anderen um mich herum haben es allerdings deutlich gespürt, ich war immer die letzte, die das mitkriegte – und gefühlt habe ich es dann immer noch nicht.
So kann eine Begegnungssituation auch auf ein tieferliegendes Thema hinweisen, das nichts mit der aktuellen Situation zu tun hat. Dieser Mann hat mir etwas gezeigt, dass ich zu dem Zeitpunt noch nicht sehen konnte und vielleicht auch nicht wollte.
Hilfreich ist es, so ehrlich mit sich selbst zu sein, wie es zu diesem Zeitpunkt möglich ist.
Ich hoffe, dass dir meine Antwort weiter hilft:-)
mit Herzensgruß
AnneRuth
Ellis
Juni 13, 2017 — 2:16 pm
Liebe AnneRuth,
“spüre hin” ist leicht gesagt, wenn man die eigenen Gefühle/Gespüre nicht kennt und/oder richtig wahrzunehmen verlernt/nie gelernt hat. Ich finde es bemerkenswert, wie Du das kannst. Es war sicher nicht leicht, dort hin zu kommen. Ich wünsche mir, eines Tages genau so wie Du mit dem Herzen klar sehen zu können. Deine Antwort war gewiss ein erster Schritt für mich in diese richtige Richtung. Dafür danke ich Dir.
Herzlichst – Ellis
anneruth
Juni 13, 2017 — 2:48 pm
Liebe(r) Ellis,
du hast recht. Das war leicht gesagt. Auch ich habe immer wieder mal meine Schwierigkeiten, zu fühlen. Es wird aber mit der Zeit immer leichter. Dabei kann dir dein Körper helfen. Wenn wir schon unsere Gefühle nicht immer wahrnehmen, hilft uns der Körper oft, in dem er sich bemerkbar macht. Dann gibt es Verspannungen, Druck, Schmerzen, Unruhe, auch gereizt Sein, “nicht in seiner Mitte sein” oderurplötzliche Müdigkeit können Hinweise sein, die uns auf eine Spur bringen können.
Immer geht es darum, hinzuspüren und vor allem: dann zuzulassen. Wenn es sein darf, was immer sich da zeigen will, können vielleicht innere Bilder entstehen, Erinnerungen an Vergangenes hochkommen. So kannst du Schritt für Schritt wieder ins Fühlen (also spüren;-)) kommen. So mache ich es auch.
herzlich AnneRuth